Einwurf von der SeitenlinieThilo Schneider

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Von Thilo Schneider

Sie haben einen Kanzler, den Sie dringend loswerden wollen? Einen Kanzler, der nicht einmal mehr eine Mehrheit im Bundestag hinter sich bringt? Nichts schwieriger als das – Bodo Ramelow hat in Thüringen bewiesen, dass man auch völlig ohne Mandat weit über das Ende der eigenen Amtszeit hinaus fröhlich weiterregieren kann – wenn Wahlen „rückgängig“ gemacht werden, weil der neue Ministerpräsident Kemmerich mit den „falschen“ Stimmen gewählt wurde. Übrigens war es bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt, dass es in einer Demokratie „richtige“ und „falsche“ Stimmen gibt. Sieh an, sieh an…

Nun also Olaf Scholz. Seit dem Ampel-Aus befindet sich die noch bestehende Restregierung in einer Art Katharsis, einem Zustand der Lähmung. Sie kann nichts ohne Oppositionsstimmen beschließen, will jedoch Gesetze nur mit „guten“ Stimmen durchbringen. Neuwahlen scheinen die einfachste Lösung zu sein, die alten Karten sollen neu gemischt werden. Nun kann aber ein Bundeskanzler nicht einfach kündigen! Er muss also entweder einen Nachfolger präsentieren, was im vorliegenden Fall sinnlos wäre, da auch ein anderer als Olafs Kopf keine Mehrheit hätte – oder sich abwählen lassen, um Neuwahlen festzusetzen.

Das Grundgesetz sieht hierzu zwei Möglichkeiten vor: Entweder der Bundeskanzler stellt die sogenannte Vertrauensfrage – oder die Opposition stürzt ihn mit einem „konstruktiven Misstrauensvotum“. Lustigerweise hatten wir in der Geschichte der Bundesrepublik bereits drei Mal die entsprechenden Fälle und – ebenfalls Funfact – es betraf immer SPD-Bundeskanzler. Die wohl zwingend die Eigenschaft mitbringen müssen, von ihrer eigenen Partei gehasst zu werden.

Das erste Misstrauensvotum gegen Willy Brandt, 1972, scheiterte an der Unfähigkeit des damaligen CDU-Vorsitzenden Rainer Barzel, eine entsprechende Mehrheit zu organisieren. Zehn Jahre später aber schaffte es Helmut Kohl, ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt durchzusetzen und wurde dann für laaaange Zeit Deutschlands Kanzler.

Der Nächste, den es erwischte, war dann Gerhard Schröder, der im Bundestag die Vertrauensfrage stellte – und verlor. Ebenso, wie er die anschließende Bundestagswahl verlor und dem Land Angela Merkel bescherte.

Olaf Scholz hat nach dem Erlöschen von „Gelb“ in der Ampel keine Regierungsmehrheit mehr. Eigentlich wäre dies die Gelegenheit für Friedrich Merz, nun ein „konstruktives Misstrauensvotum“ gegen den Kanzler zu stellen. In der Konstellation bräuchte er dazu aber eine absolute Mehrheit, um dieses Misstrauensvotum auch erfolgreich umzusetzen. Und die hätte er sogar – aber nur mit den Stimmen der jetzt drittgrößten Oppositionspartei – der AfD. Deren Stimmen aber will er nicht haben und nur mit der FDP wird es für einen Kanzlersturz nicht reichen. Und selbst wenn es ihm gelänge, ausgerechnet die LINKE mit ins Boot zu holen, so hätte er für ein konstruktives Misstrauensvotum nur eine hauchdünne Mehrheit von 3 Stimmen – viel zu unsicher! Und er wäre für eine Regierungsbildung auf die Stimmen ausgerechnet der LINKE angewiesen. Genauso arg wie die AfD – also für ihn. Am Ende spricht dann noch jemand von der AfD Kanzler Scholz ebenfalls das Misstrauen aus und der ängstliche Friedrich Merz würde von der Hauptstadtpresse und den öffentlich-rechtlichen Sendern in Fetzen gerissen.

Bleibt also nur des Kanzlers eigenes Instrument: Die Vertrauensfrage. Die Union und die FDP werden mutmaßlich gegen ihn stimmen, Die SPD dürfte sich enthalten, von den Grünen weiß man es nicht. Von der AfD übrigens auch nicht, die sich einen verfahrensmäßigen Spaß erlauben könnte und deren Abgeordnete Scholz tatsächlich das Vertrauen aussprechen. Unter Umständen müsste Scholz dann tatsächlich wegen der Stimmen der verhassten AfD im Amt bleiben. Eine feine Ironie der Geschichte. Es dürfte tatsächlich die vornehmste Aufgabe von Olaf Scholz sein, eine Mehrheit gegen sich selbst zu organisieren.

Aber was sollen Neuwahlen auch ändern? Es ist kaum zu erwarten, dass es die nicht einmal runderneuerte FDP über die 5% Hürde schafft, die immer dann ihren Markenkern entdeckt, wenn sie aus diversen Länderparlamenten geflogen ist. Und dann „diesmal bestimmt alles besser machen wird“. Mit dem alten Spitzenpersonal. Ja ne is klaaa.

Merz bleiben als Optionen – von wegen Brandmauer – nur eine enttäuscht-zornige SPD oder die auftrumpfenden Grünen. BSW und Linke sind ebenso von der 5%-Hürde bedroht. Mann kann es drehen und wenden, wie man will: Entweder SPD oder Grüne werden an der nächsten Regierung ebenfalls wieder beteiligt sein, solange die dumme „Brandmauer“ steht und sich die Union einer strategischen Alternative aus Angst vor SPIEGEL und SZ selbst beraubt. Die einzig andere Möglichkeit wäre eine absolute Mehrheit für die AfD unter einer Kanzlerin Weidel. Und die wird es nicht geben, solange ein Björn Höcke und seine Kameradschaften durch Thüringen irren. Selbst mit einer AfD als stärkster Partei wird sie keinen Koalitionspartner finden.

Was also tun? Schön wäre es, eine der derzeit kleinen bürgerlichen Parteien wie Bündnis Deutschland kämen zumindest einmal in die Wahlkampffinanzierung ab 1% Stimmenanteil. Hier sitzt die echte bürgerliche Basis, Leute aus allen Berufen, die ehrenamtlich und mit viel Herzblut und aus eigenen Finanzen eine Partei gebildet haben, die eigentlich dem, was Union und FDP am meisten verkörpern SOLLTEN am nächsten kommt.