Thilo SchneiderBuch mit der Nationalhymne

„Einigkeit und Recht und Freiheit“ – so lauten die drei Wünsche „für das Deutsche Vaterland“ in unserer Nationalhymne. Jahrzehntelang haben nicht nur Patrioten bei großen Sportereignissen hier mitgesungen, außer ab etwa 1990, wenn sie unten auf dem Rasen standen und gleich Fußball spielen sollten.
Stellen Sie sich vor, Sie würden dies heute in der Öffentlichkeit singen – im schlimmsten Fall wären Sie wegen „Volksverhetzung“ schneller verhaftet, als Sie Ihr Grundgesetz in die Höhe heben können. „Deutsches Vaterland“ – welch hässliche Worte heute. Sie implizieren, dass Deutschland ein geschlossenes Staatsgebilde exklusiv für Deutsche und Deutschstämmige ist und „Vaterland“ – wo bleibt hier Elter2 und warum heißt es eigentlich nicht Mutterland, aber Muttersprache? Die Nationalhymne heute zu singen, entspricht in etwa dem Absingen der Internationale auf dem Reichsparteitag 1938.
Das mag auch der Grund sein, warum bei der Feier unseres geliebten Bundespräsidenten zum 75-jährigen Bestehen (nicht unbedingt auch Einhalten) des Grundgesetzes Katharina Thalbach und Andreja Schneider (nur echt mit dem J im Vornamen) einen Text von Bert Brecht der Melodie von Hoffmann von Fallersleben unterlegten. Das klang dann so:
„Anmut sparet nicht noch Mühe, Leidenschaft nicht noch Verstand
Dass ein gutes Deutschland blühüe, wie ein andres gutes Land
Dass die Vöhölker nicht erbleiheichen wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände reiheichen und wie ahanderen Völkehern hin
Und nicht ühuber und nicht uhunter andern Völkern woll´n wihir sein“
„Von der See bis zu den Alpen, von der Oder bis zum Rhein
Und weil wir dies Land verbehessern, lieben und beschirmen wir´s
Und das Liebste mag´s uns scheiheinen, so wie andren Völkern ihrs“

Haben Sie jetzt geistig mitgesungen? Sehr gut. Sie kennen die Melodie der Hymne. Das kann nicht jeder oder jede von sich sagen. Und Ja! Für eine Feier bei dem wohl unpatriotischsten und moralisch flexibelsten aller Bundespräsidenten seit Theodor Heuss ist das wohl der passendere Text für den Zeitgeist. Aus folgenden Gründen:

„Einigkeit“ gibt es unter der Ampelregierung eigentlich seit dem letzten Bundeswahltag nicht mehr. Nicht nur die Regierungsparteien sind sich jede Woche wenigstens zwei Mal uneins, nein, durch unsere Gesellschaft ziehen sich tiefste Gräben. Zwischen Geimpften und Ungeimpften. Zwischen Jungen und Alten. Zwischen Auto- und Fahrradfahrern. Nicht zuletzt zwischen Einheimischen und Zuwanderern/Flüchtlingen/Migranten/Schutzsuchenden/Asylbewerbern (oder wie Sie gerne die Leute nennen wollen, die seit 2015 ungebremst ins Land strömen). Und, ganz und speziell pervers, aber passend zur öffentlich-rechtlichen Lesart: Zwischen „Demokraten“ und den finsteren „Rechten“ – also allen rechts der SPD.

Mit dem „Recht“ ist es auch nicht mehr so weit her. Während irgendwelche bärtigen Heinis völlig hemmungs- und sanktionslos in Hamburg bei strikter Geschlechtertrennung für ein Kalifat trommeln dürfen, nimmt die Polizei einen Rentner hops, der während der Demo der Islamisten von seinem Balkon eine Deutschlandfahne mit dem Bundeswappen hängen ließ. Eine Uni sieht keine rechtliche Möglichkeit, einen muslimischen Studenten, der just for fun aus Hass einen jüdischen Kommilitonen verprügelt, der Uni zu verweisen, während eine nicht ganz clevere Random-Tusnelda, die angeschickert auf Sylt zu einem Meme „Deutschland den Deutschen“ zwitschert, am nächsten Tag ein Hausverbot ihrer Uni im Briefkasten hat. Als Bonus dazu auch noch Betroffenheitsstatements von den üblichen Unverdächtigen in Politik und Medien, die sie um die Ohren gehauen bekommt. Wo ist da das Recht? Wo die Verhältnismäßigkeit?

„Freiheit“ ist nicht mehr Rosa Luxemburgs „Freiheit der Andersdenkenden“, sondern nur noch die „Freiheit der Genausodenken“. Sicher, Sie dürfen gerne Ihre Meinung sagen. Einmal. Sie müssen eben nur mit den Konsequenzen leben, die bis hin zur sozialen Vernichtung und dem Verlust Ihres Arbeitsplatzes reichen. Spätestens, wenn Ihnen die Hausbank das Konto kündigt, weil Sie so ein schlimmer Finger sind, hat sich das mit der Freiheit erledigt. Unabhängig davon, ob Ihre Meinungsäußerung strafbar war oder nicht. Für „Hass und Hetze“, diesen Gummibegriff, gibt es mittlerweile extra Meldestellen, wenn Sie sich zwar unter der Gürtellinie, aber auch „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ geäußert haben. Womit wir auch wieder beim zweiten Wort „Recht“ des Dreiklangwunsches wären. Und unterstehen Sie sich, einen Mann, der gerne eine Frau wäre, als Mann zu bezeichnen. Fragen Sie lieber nach Ens Pronomen. Oder legen Sie 10.000,- Euro beiseite. Soviel kostet eine falsche Anrede etwa.

Die schlechte Nachricht ist: Wir bekommen das Rad nicht mehr zurückgedreht. Die gute Nachricht ist: Wir können das politisch noch in gerade Bahnen lenken und die wildesten Auswüchse verhindern oder stoppen. Geben wir jungen, neuen und unverbrauchten Parteien doch einmal eine Chance. Auch zu Alternativen gibt es Alternativen. Es muss nämlich nicht auch gleich „Deutschland über alles“ sein – aber „Einigkeit und Recht und Freiheit“ – das wäre wirklich schön. Schauen Sie sich doch einmal das Programm des „Bündnis Deutschland“ an? Vielleicht ist ja was für Sie dabei?