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Von Marco Groh
In der heutigen Zeit erscheint vieles komplexer, viele Dinge hängen zusammen und eine kleine Änderung an einem kleinen Teil kann große Auswirkungen an anderen Punkten haben. Das ist die Natur der Dinge: Umso mehr sie wachsen, umso älter sie werden, umso komplexer und undurchschaubarer werden sie. Bei Computerprogrammen wird irgendwann das alte Programm durch eine komplett neue Version ersetzt, um das Programm grundsätzlich noch wartbar zu halten. Bei Computern ersetzt man ebenfalls einzelne Komponenten, bevor man irgendwann dann doch den Rechner insgesamt austauscht. Aber auch bei den Komponenten muss man aufpassen, dass der Prozessor noch mit der Grafikkarte, dem Speicher usw. zusammenarbeiten kann.
Wie aber machen wir das mit so komplexen Dingen wie Steuer- und Abgabesystemen? Mit grundsätzlichen gewachsenen Gesetzen und Strukturen? Hier einfach mal neu bauen ist nicht einfach möglich, also muss man doch Teile elementar ersetzen, aber aufpassen, dass sie weiterhin zum Rest des Systems passen. Wie sieht also die Grafikkarte „Verkehrssteuerung“ aus, die wir erneuern müssen, die aber weiterhin in das System „Demokratie und Freiheit“ passt?
Verkehrspolitik heute – letzte Versuche und die Problematik
1) Deutschland liegt mitten in Europa. Dies hat sehr viele Vorteile, sorgt aber gerade in Sachen Verkehr dafür, dass wir einen Knotenpunkt bilden. Sowohl der Ost-West- als auch der Nord-Süd-Verkehr fließt durch unser Land. Daher versuchen seit geraumer Zeit Politiker über die Einführung eines Maut-Systems das Ausland an der Finanzierung unseres Straßennetzes zu beteiligen. Der Europäische Gerichtshof hat jedoch festgestellt, dass die Einführung einer solchen Maut in ein Gesamtkonzept passen muss. Eine bloße Umverteilung vom deutschen Steuerzahler auf die ausländischen Verkehrsteilnehmer ist nicht zulässig.
2) Aus Umweltgründen ist es derzeit politisch opportun, den Wechsel von Verbrennern zu CO2-neutralen Elektroautos zu forcieren. Bei aller Diskussion, die sich über die angebliche Umweltfreundlichkeit von Elektroautos ergibt (tatsächlich ist dies aufgrund der Akku-Problematik und der Art der Stromgewinnung nicht pauschal zu beantworten), stellt sich aber auch hier die Frage nach einer sinnvollen Förderung. Der Verzicht auf KFZ-Steuer als kurzfristige Förderung zieht einen langfristigen Effekt mit sich: Die Steuereinnahmen aus der Mineralölsteuer betragen allein in 2024 42,2 Mrd. Euro. Bei einem Umstieg auf Elektroautos verliert der Staat somit nicht nur die Einnahmen aus der KFZ-Steuer, sondern langfristig deutlich mehr. Dies durch eine Erhöhung oder Einführung von Stromsteuern auszugleichen erscheint politisch aber nicht opportun zu sein.
3) Bei den verkehrssteuernden Maßnahmen wird noch immer ideologisch die Meinung von vor drei Jahrzehnten vertreten: Schnell fahren können sich nur die Reichen leisten, wer schnell fährt, verursacht viele Abgase und schädigt die Umwelt, schnell fahren verursacht viele Unfälle.
Auch hier gilt es tatsächlich, die Meinung der aktuellen Zeit anzupassen und die Äußerungen ideologie-frei zu bewerten:
a) Wenn wir zunehmend auf Elektro- (oder Wasserstoff-) Antrieb umstellen und hierbei unterstellen, dass die Antriebsstoffe CO2-neutral gewonnen werden – welche Umweltproblematik wird durch schnelles Fahren dann noch erzeugt?
b) Tatsächlich geschehen die meisten Unfälle nicht dort, wo schnell gefahren werden darf. Vielmehr erfolgt das zu schnelle Fahren und damit die Unfallgefahr in Stellen, in denen das Tempo deutlich reduziert worden ist (z.B. Baustellen). Daneben gilt bereits heute, dass bei Überschreiten der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen ein höheres Risiko in Kauf genommen wird und i.d.R. bei Unfällen eine Teilschuld zugesprochen wird.
Was wir hier also brauchen, ist eher eine Überwachung der Einhaltung bestehender Tempolimits anstelle der Anordnung neuer. Denn auch im Straßenverkehr sollte das grundgesetzlich zugesicherte Recht gelten: Eine Einschränkung der persönlichen Freiheit (hier: Schnellfahren) darf nur erfolgen, wenn daraus anderen Schaden droht.
4) Nicht nur durch die Corona-Pandemie und die dort verhängten Maßnahmen verändert sich die Verkehrsnutzung der Einzelnen. Es ist davon auszugehen, dass nachhaltig weniger Geschäftsreisen stattfinden und durch Onlinekonferenzen ersetzt werden.
Sorgt man steuerpolitisch zudem dafür, dass der Individualverkehr erst bei der Nutzung Geld kostet (also Steuern beispielsweise nur für gefahrene Kilometer und nicht für das pure Besitzen eines Autos zu zahlen sind), kann die Nutzung alternativer Verkehrsmittel wie Fahrrad, aber auch Öffentlicher Nahverkehr gefördert werden. Doch auch hier stellt sich die Frage nach der Finanzierbarkeit. Sollen die Ausgaben für Straßen i.d.R. durch Maut- und KFZ-Steuereinnahmen finanziert werden, aus welchen Einnahmen werden Ausgaben für Fahrräder gedeckt?
Dazu kommt die Diskussion um den Anteil der Anlieger bei Straßenbaumaßnahmen im kommunalen Bereich. Hier steht zunehmend die Frage im Raum, warum jemand, der dort wohnt – aber ggf. die Straße selbst gar nicht nutzt – für die Grundinstandsetzung zu zahlen hat.
Wie könnte nun ein verkehrs- und steuerpolitisches Konzept aussehen, das sich nahtlos in die bestehenden Strukturen einfügt und auf die o.g. Punkte einzahlt?
Die Lösung liegt in der Aufteilung der Verkehrskosten in zwei wesentliche Punkte: Straßenunterhaltung und Emissionsabgabe. Eine reine KFZ-Steuer, wie wir sie heute kennen, würde dadurch vollständig abgelöst werden.
1) Die Abgabe zur Straßenunterhaltung muss fair, verursachergerecht und datenschutzkonform erfolgen. Die einfachste Variante ist eine Tages- oder Monatsmaut, die entweder an der Grenze gekauft oder im Abo erhältlich ist. Das Problem bei dieser einfachen Variante: Es sind quasi Fixkosten wie die bisherige KFZ-Steuer und damit kein Anreiz, das Auto auch mal stehen zu lassen.
Die bessere Variante ist daher die elektronische: Es wird leihweise durch den Bund ein Gerät zur Verfügung gestellt, das im Auto anzuschließen ist (fest verplombt). Dieses Gerät sendet nun an zwei unterschiedliche Server kontinuierlich folgende Daten:
a) Nutzer, gefahrene Straßenkilometer. Auf dieser Basis wird die Straßenbenutzungsgebühr berechnet und dem Nutzer abgebucht. Wichtig: Es erfolgt keine Speicherung der Routen, sondern lediglich eine – ggf. auch nur einmal pro Tag – übermittelte Kilometerzahl. Der Nutzer bekommt hierüber natürlich eine entsprechende Quittung: „Sie sind heute xx Kilometer gefahren. Die entsprechende Straßenbenutzungsgebühr in Höhe von y Euro wurde hierfür vorgemerkt.“.
b) Eine anonyme Verteilung der gefahrenen Kilometer auf die entsprechenden Straßen. Auf dieser Basis erfolgt die Verteilung der Gebühr auf die verschiedenen Träger oder sogar Straßennamen (Kommune, Land, Bund). Aus diesen Gebühren kann dann die Straßenunterhaltung bezahlt werden, was auch eine verursachergerechte Bezahlung im kommunalen Bereich ermöglicht und somit Straßenbaubeiträge für die Anwohner überflüssig macht – diese bezahlen indirekt über Müllgebühren und die eigene Maut entsprechende Anteile.
2) Die Emissionsabgabe soll den Schadstoffausstoff der Fahrzeuge belegen. Hiervon betroffen sind sämtliche Fahrzeuge mit entsprechenden Abgasen – die Subventionierung von Elektro- und Wasserstofffahrzeugen ergibt sich hiermit automatisch.
Jetzt könnte man diese Abgabe grundsätzlich an den Hubraum des Fahrzeuges, die Antriebsart und den durchschnittlichen Verbrauch nach Werkangaben koppeln. Dieses wird aber z. B. der Fahrweise nicht gerecht. Es ist hier also abzuwägen zwischen einer fahrzeugspezifischen Abgabe mit regelmäßiger Angabe der gefahrenen Kilometer (Ablesen des Tachos analog der Gas- und Wasserzähler oder Kopplung mit 1a) oder einer Verschiebung dieser Abgabe auf den Benzin- bzw. Dieselpreis. Auf diese Art würden Fahrer mit einem hohen Verbrauch auch entsprechend höher belastet.